Im Gespräch mit
Anton Hangschlitt
Berlin, Deutschland
Hi Anton, bitte stell dich kurz vor.
Mein Name ist Anton, ich lebe in meiner Heimatstadt Berlin und fotografiere hauptsächlich urbane Räume in Berlin. Fotografie hat mich schon immer sehr fasziniert, aber ich habe nie einen richtigen Zugang dazu gefunden. Zwar habe ich gelegentlich digital Fotos gemacht, war aber nie zufrieden mit den Ergebnissen und fand die nachträgliche Bearbeitung eher lästig. Während meines Studiums habe ich dann einige Personen kennengelernt, die mir die Faszination der analogen Fotografie näher gebracht haben. Dadurch wurde mein Interesse geweckt und ich habe mir vor etwa vier Jahren meine erste analoge Kamera gekauft. Seitdem hat mich die Fotografie nicht mehr losgelassen.
Welche Bedeutung hat für dich analoge Fotografie? Was reizt / fasziniert dich daran?
Analoge Fotografie hat mir die Tür zur Fotografie erst geöffnet. Durch den gewissen Look, den jeder Film von sich aus mit sich bringt, hatte ich einen einfacheren Weg, um Ergebnisse zu bekommen, mit denen ich grundlegend zufrieden war. Mittlerweile hat sich das etwas weiterentwickelt, aber die Dankbarkeit für das, was Film von sich aus leistet, ist immer noch vorhanden. Außerdem fühlt es sich jedes Mal wie Weihnachten an, wenn die Scans vom Labor kommen und man sieht, ob es überhaupt etwas geworden ist, und wenn ja, wie die Bilder am Ende aussehen. Das Warten auf die Ergebnisse ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite möchte ich am liebsten sofort die Fotos sehen, auf der anderen Seite ist es toll, zeitlich Distanz zu den Arbeiten zu bekommen.
Was sind aus deiner Sicht die Vor- und Nachteile der analogen Fotografie?
Neben den offensichtlichen Vorteilen aus rein fotografischer Sicht, wie den Farben, der Körnung und der Lebendigkeit, fasziniert mich die mechanische Seite der Kameras sehr. Ich sehe es als Vorteil, mit Film alle möglichen alten Kameras ausprobieren zu können. Während der Corona-Zeit habe ich mich in dieses „Rabbit-Hole“ begeben und viele unterschiedliche Kameras ausprobiert. Das Schöne ist, dass die Kameras ihren Wert nicht verlieren und man sich durch An- und Verkaufe so ziemlich gut durchtauschen kann, bis man das gefunden hat, was einem wirklich zusagt.
Ein Nachteil, der mir vor allem im letzten Jahr während diverser Reisen aufgefallen ist, ist das Fliegen mit Film. Ich habe oft feststellen müssen, dass das Verständnis dafür, dass Filme ab ISO 800 nicht durch Scanner sollen, fehlt. Da musste ich oft kämpfen.
Konzentrierst du dich bei deinen Arbeiten auf einen bestimmten Schwerpunkt?
Meine Fotos bewegen sich eher im Architektur-Bereich. Ich versuche, urbane Räume, die eigentlich jeder kennt, neu in Szene zu setzen. Dabei habe ich mich dazu entschieden, zu 99% auf Menschen im Bild zu verzichten. Das gibt den Bildern einen surrealeren Charakter. In der Bildgestaltung versuche dann durch bewusstes Framing und die Verwendung von führenden Linien und Formen das Auge des Betrachters zu beeinflussen. Die Farbenvielfalt der Berliner Architektur spielt bei meiner Arbeit auch eine große Rolle. Generell versuche ich ein Gefühl hervorzurufen, welches wohl und unruhig zugleich ist.
Gibt es (analoge) Fotograf:innen, die deine Ästhetik und Herangehensweise beeinflusst haben?
Meine größte Inspiration finde ich tatsächlich in der Kunst und Architektur. Edward Hoppers Ästhetik ist etwas, das ich oft im Kopf habe, wenn ich fotografieren gehe. Ebenso einflussreich für meine Fotografie ist die Schule des Bauhaus, vor allem die Arbeiten von Mies van der Rohe, Kandinsky, Klee und Breuer.
Gibt es bestimmte Kameras oder Filme mit denen du bevorzugt arbeitest?
Ich habe das große Glück, eine Leica M6 mein Eigentum nennen zu können. Es ist ein Traum, mit dieser Kamera zu fotografieren. Da ich ohne Stativ unterwegs bin und mich viel bewege, ist sie durch das flache, unauffällige Profil und die kleinen Objektive perfekt für mich geeignet und zudem einfach ein schöner Gegenstand, den man benutzen möchte. Als Objektiv nutze ich meist ein 35mm f/1.4 von Voigtländer und bei Gelegenheit ein 15mm f/4.5 ebenfalls von Voigtländer. Als zweite Kamera habe ich immer ein Point and Shoot dabei. Das ist im Moment die Rollei Preto Micron, die man durch einen kleinen Hack zu einer 24mm Point and Shoot umfunktionieren kann.
Dadurch, dass meine Fotomotive oft eher dunkel sind, greife ich fast ausschließlich zu ISO 800 Filmen. Mein Go-To ist nach wie vor Cinestill 800T, aber ich versuche mich von dem doch sehr stark einschränkenden Look Stück für Stück zu lösen. Lomography Color Negative 800 war da für mich bisher eine attraktive Alternative, die ich nach und nach erkunde. Durch eine kleine Kooperation mit Lomography habe ich vor Kurzem Lomography Redscale ausprobiert, der mir trotz des doch sehr starken Looks ziemlich gut gefallen hat.
Apropos Filme: Wie sieht dein Workflow aus?
Wenn es um Entwicklung und Digitalisierung geht, vertraue ich meine Filme dem Fotolabor „aperture film lab“ in Berlin-Charlottenburg an. Die Sorgfalt, mit der meine Filme dort bearbeitet werden, und die Ergebnisse lassen für mich keine Wünsche offen. Mit den Scans mache ich selbst nicht mehr viel außer leichter Tonwertkorrekturen, croppen zu 5:4 und Begradigung bei Bedarf.
Welchen Rat würdest du anderen Fotograf:innen geben, die dieses Interview lesen?
Macht euch keinen Druck. Nicht jedes Foto wird am Ende perfekt und das ist okay. Mit der eigenen Arbeit unzufrieden zu sein ist natürlich, aber man sollte sich an den Fotos erfreuen, auf die man stolz ist.
Falls du deine Arbeiten auf Instagram veröffentlichst: Fluch oder Segen?
Beides. Instagram hat mir Vieles ermöglicht und dafür bin ich sehr dankbar. Ohne eine gewisse Reichweite bei Instagram hätte ich wahrscheinlich nicht die Möglichkeit bekommen, meine erste Solo-Ausstellung zusammen mit Cinestill zu machen oder mein erstes Zine auszuverkaufen. Auf der anderen Seite ist man immer wieder auf der Suche nach der Bestätigung durch Like-Zahlen etc. Das ist meiner Meinung nach nicht zu verhindern und auch irgendwie natürlich. Instagram hat da leider in letzter Zeit seinen Kern durch den Fokus auf Reels aus den Augen verloren und zwingt einen regelrecht, mitzugehen, um „relevant“ zu bleiben. Das ist echt schade.
Welche drei Fotobücher kannst du empfehlen / sollte man unbedingt besitzen?
„JAL 76 88“ (Greg Girard), „Intermission II“ (Sascha Weidner) und die zweite Ausgabe meines Zines „WHERE WE ARE“, die im Sommer 2023 erscheinen wird. 😉