Im Gespräch mit
Evelyn Kutschera
Schaffhausen, Schweiz
Hi Evelyn, bitte stell dich kurz vor.
Ich wohne in Schaffhausen (Schweiz), ich arbeite als freischaffende Fotografin und „on location“, habe kein Studio. Für meine persönlichen Projekte reise ich aber auch viel herum. Mein Langzeitprojekt über die Skinhead-Szene soll die Subkultur weltweit zeigen. Dafür bin ich schon in die USA und Mexiko gereist.
In meiner Familie gehörten Kameras irgendwie immer schon zum Alltag, obwohl niemand in meiner Familie professionell fotografiert hat. Aber wichtige Ereignisse, Urlaube oder auch Sonntagsspaziergänge wurden immer festgehalten. Ich hatte also schon früh Kontakt mit Fotokameras. Die Leidenschaft dafür fing aber erst an, als ich ein Praktikum in einer Werbeagentur machte. Dort entdeckte ich, dass ich beruflich Fotografieren möchte, wollte aber keine klassische Lehre absolvieren, deshalb habe ich den gestalterischen Vorkurs gemacht und dann bin ich nach Cheltenham Spa in England, um an der University of Gloucestershire meinen Bachelor zu absolvieren.
Welche Bedeutung hat für dich analoge Fotografie? Was reizt / fasziniert dich daran?
Abgesehen vom nostalgischen Aspekt, ist es vor allem der Prozess, wie das Bild entsteht. Die Herangehensweise in der Analogfotografie ist viel überlegter und langsamer, ich habe eine limitierte Anzahl von Schüssen und die muss ich weise nutzen, sonst wird es teuer. Haha. Außerdem hat ein analoges Foto meiner Meinung nach mehr Charakter. So wie eine Schallplatte im Vergleich zu einer CD. Es hat eine Seele, irgendwie. Analogfotografie darf auch imperfekt sein, wogegen ich bei der digitalen Arbeit immer nach Perfektion strebe.
Was sind aus deiner Sicht die Vor- und Nachteile der analogen Fotografie?
Also Nachteile gibt es viele – vor allem der Kostenpunkt ist ein großer. Es ist verdammt teuer, analog zu fotografieren. Ein anderer Punkt ist, dass man erst nach dem Shoot sieht, ob etwas falsch gelaufen ist. Der größte Vorteil ist sicher, dass man bei der Postproduktion und der Bildauswahl nicht vor mehreren tausend Fotos steht, weil man halt schon vorher überlegt hat, wie oft man abdrücken soll.
Konzentrierst du dich bei deinen Arbeiten auf einen bestimmten Schwerpunkt?
Ich fotografiere am liebsten Menschen, sowohl in gestellten Szenarien als auch als Momentaufnahmen. Vor allem junge Menschen und Jugendkulturen interessieren mich sehr. Diese Passion für Musik, der alternative Lebensstil und der enge Zusammenhalt. Konzertfotografie finde ich auch faszinierend. Man ist sehr limitiert in der Zeit (drei Songs), hat anspruchsvolle Lichtverhältnisse und oft steckt man mit circa sechs anderen Fotografen und mindestens drei Securitys in einem engen Graben. Jeder versucht das beste Bild zu ergattern, aber trotzdem muss man aufeinander Acht geben.
Gibt es (analoge) Fotograf:innen, die deine Ästhetik und Herangehensweise beeinflusst haben?
Definitiv mein Freund und Mentor Gavin Watson, mit seinen Fotografien über die Skinheads in den 70ern. Die Portraits von Michal Chelbin, aber auch ganz viele Fotografen auf Instagram. Ich folge vielen unbekannten Fotografen und es gibt mir ständig neue Inspiration und die Motivation mich weiter zu entwickeln.
Gibt es bestimmte Kameras oder Filme mit denen du bevorzugt arbeitest?
Am liebsten arbeite ich mit meiner Hasselblad und meiner Nikon F801. Ich liebe es verschiedene Filme auszuprobieren, aber da Filmfotografie teuer ist, verwende ich bei Kleinbild hauptsächlich Kodak Gold 200 und Kentmere 400, da sie relativ kostengünstig sind. Für meine Mittelformatkamera nutze ich eigentlich immer Kodak Portra. Manchmal leiste ich mir aber auch Cinestill Film.
Apropos Filme: Wie sieht dein Workflow aus?
Ich lasse meine Filme im Labor entwickeln und scanne sie dann selbst ein. Wenn ich gerade im Ausland bin, wo es günstiger ist als in der Schweiz, lasse ich sie einscannen. Für mich gehört ein bisschen digitale Nachbearbeitung dazu. Farbkorrektur und die Lichter und Schatten werden optimiert.
Welchen Rat würdest du anderen Fotograf:innen geben, die dieses Interview lesen?
Immer dran bleiben, lasst euch von allen möglichen Medien inspirieren. Unterstützt und motiviert andere Fotografen – wir sitzen alle im selben Boot. Und in den Worten von Gavin Watson: “Time has creative power” – sprich, manchmal muss man die neue Arbeit weglegen, weil es Zeit braucht, bis man das wahre Potenzial erkennt.
Falls du deine Arbeiten auf Instagram veröffentlichst: Fluch oder Segen?
Beides. Ich finde Instagram ein super Medium, um Kontakte zu schließen und auf einfache und schnelle Art seine Arbeiten zu präsentieren. Jedoch verringert die Plattform die Qualität der Fotos und die Algorithmen lassen auch zu wünschen übrig.
Welche drei Fotobücher kannst du empfehlen / sollte man unbedingt besitzen?
„Where Children Sleep“ (James Mollison), „Real Life Dramas“ (Mary Frye) und „Inside North Korea“ (Oliver Wainwright).