Michael Ornauer
© Sebastian Weissinger
Im Gespräch mit

Michael Ornauer

Wien, Österreich

Hi Michael, bitte stell dich kurz vor.

Ich lebe in Wien, bzw. im Wienerwald, eine große Waldregion westlich von Wien. Der Wienerwald gehört größtenteils schon zu Niederösterreich und er ist ein wichtiges Naherholungsgebiet für alle Wiener und Wienerinnen. Je westlicher man da kommt, umso tiefer und ursprünglicher werden diese Wälder. Topografisch gesehen handelt es sich bei dieser Region auch um die östlichen Ausläufer der Alpen, die ab Wien dann in eine Tiefebene übergehen.

Ich bin da auf einem Bauernhof im Wienerwald aufgewachsen und die Natur hat mich als Kind sehr geprägt. Ich verbrachte einen Großteil meiner Kindheit und Jugend damit, durch die Wälder zu streifen. Meist alleine, denn ich habe mich vor den Leuten dort verstecken können. Der Wald war für mich ein Zufluchtsort vor der Welt. Mein Elternhaus war kein besonders gutes, es gab ständig Konflikte und Streit zwischen den Eltern, was auf uns Kinder stark abfärbte und uns in Mitleidenschaft zog. Doch ich konnte mich in die Natur zurückziehen, der Bauernhof war ja ringsum von Feldern, Wiesen und Wäldern umgeben. Dort fand ich Ruhe und Frieden, von dem ich heute weiß, dass er mich vor dem „Zuhause“ gerettet hat.

Meine Fotografie besteht heute darin, dass ich diese Landschaft meiner Kindheit und Jugend dokumentiere. Und zwar auf zwei Ebenen: Einerseits die tatsächliche Landschaft, die ich in schwarz-weiß und analog fotografiere; andererseits meine „innere Landschaft“, die ich durch die Fotos der äußeren Landschaft sichtbar – oder besser gesagt – spürbar machen kann.

Welche Bedeutung hat für dich analoge Fotografie? Was reizt / fasziniert dich daran?

Zur Fotografie kam ich über das Kunststudium. Ich besuchte zwar eine Klasse für Malerei, aber die Fotografie war durch diverse Kurse immer irgendwie mit dabei. Zudem war in unserer Klasse Peter Dressler der Assistenzprofessor. Er ist für mich heute noch ein Meister der metaphorischen Bildsprache. Von Dressler habe ich inhaltlich viel gelernt, zum Beispiel, was ein gutes Bild ausmacht. Wobei es ziemlich egal ist, ob es sich bei dem Bild um Fotografie oder Malerei handelt – es gelten da ja dieselben Kriterien.

Bei seinen späteren Projekten hat Peter Dressler oft mit Leo Mayer zusammen gearbeitet. Mayer ist ebenfalls Maler und Fotograf und war in unserer Klasse der Assistent. Von ihm habe ich alles Technische gelernt, angefangen vom Umgang mit alten Kameras bis hin zum Entwickeln von Filmen und Vergrößern auf Papier.

Für mich war die analoge Fotografie immer ein Nebenprojekt zu meiner Malerei. Man kann ja nicht ständig malen. Wenn du die ganze Woche im Atelier arbeitest, was machst du dann am Wochenende, schon wieder malen? Da wird man ja verrückt! Da hat sich die Fotografie immer angeboten, speziell die analoge Fotografie. Weil sie für mich nach wie vor mehr den Charakter von Kunst ausstrahlt. Nicht wegen des Ergebnisses – mit diversen digitalen Filtern bekommt man das ja selbst mit dem iPhone schon hin. Aber der Prozess des analogen Fotografierens ist halt unersetzlich. Deswegen entsteht für mich da eher Kunst, weil das alles so langwierig und fast umständlich ist. Allein schon durch die Limitierung auf 36 Frames am Film (wenn überhaupt). Da überlege ich mir sehr gut, was ich fotografiere und wie. Mein Ziel ist immer: 36 gute Fotos am Film, kein einziges Frame verschwenden! Diesen Anspruch lasse ich sofort fallen, sobald ich eine digitale Kamera in der Hand halte. Wenn da am Display steht, dass noch Speicher für 8.345 Fotos frei ist, entsteht eher kein einzig brauchbares.

 

Was sind aus deiner Sicht die Vor- und Nachteile der analogen Fotografie?

Das ist schwer zu beantworten. Wenn z. B. ein „Nachteil“ wie die Limitierung der Frames und die hohen Kosten der Entwicklung dazu führen, dass man bessere Fotos macht oder sogar Kunst. Gleichzeitig zeigt der momentane Hype um die analoge Fotografie: Es ist auch andersrum problematisch. Nur weil dieses Medium gerade als künstlerischer gilt („Vorteil“?), entstehen trotzdem keine besseren Fotos oder eben Kunst. Weil sich Qualität und Kunst eben nicht vom Material herleiten lassen. Sondern nur aus der inneren Haltung des Fotografen oder der Fotografin. „Das Medium ist die Message“ (Marshall Mc Luhan) gilt hier auf keinen Fall! (Oder zumindest im besten Fall nur als faule Ausrede für eine inhaltlich schwache Arbeit.)

Konzentrierst du dich bei deinen Arbeiten auf einen bestimmten Schwerpunkt?

Wie gesagt, fotografiere ich ausschließlich Landschaft und da auch nur die Region meiner Kindheit und Jugend. Diese Landschaft hat sich in mir eingebrannt, auch wenn sie nicht besonders aufregend ist: Wälder, Wiesen und Felder. Doch für mich ist sie sinnbildlich für etwas, was ich „innere Landschaft“ nenne, und diese „innere Landschaft“ kann ich durch meine Fotografie am besten ausdrücken.

Gibt es (analoge) Fotograf:innen, die deine Ästhetik und Herangehensweise beeinflusst haben?

Ich weiß nicht, ob man es Einfluss nennen kann, aber bei zwei Fotografen merke ich eine ähnliche Herangehensweise an das Motiv, bzw. die Landschaft. Der erste ist Mario Giacomelli und der andere Josef Koudelka. Beide komponieren sehr bedacht und gleichzeitig subtil den Aufbau ihrer Fotos. Das hat mir bei den beiden immer schon gefallen.

Gibt es bestimmte Kameras oder Filme mit denen du bevorzugt arbeitest?

Ich mag starke Kontraste in Fotos, insbesondere in der SW-Fotografie. Deshalb verwende ich meist einen Kodak Tri-X 400 Film. Die meisten Landschaftsfotos habe ich mit einer Nikon F3 bzw. mit einer Nikon F geschossen.

Apropos Filme: Wie sieht dein Workflow aus?

Die letzten vier bis fünf Jahre habe ich fotografisch hauptsächlich damit verbracht, raus zu gehen und die Fotos zu schießen, die ich machen wollte. In den ersten Jahren habe ich sie auch noch vergrößert und herumexperimentiert, damit die Fotos so aussehen wie ich es mir vorstellte. Doch im Moment ist weder die Zeit, noch habe ich Bedürfnis nach der Dunkelkammer. Ich entwickle zwar noch meistens selbst, gebe aber auch schon mal einen Film zum Entwickeln ins Labor. Die Filme der vergangenen Jahre sind alle gescannt und in einer Art digitales Werkverzeichnis abgespeichert. Mein Instagram-Account ist ein Querschnitt davon.

Ich denke, dass ich mein „fotografisches Werk“ zu einem späteren Zeitpunkt auf Papier bringen (und ausstellen) werde. Die Zeit dazu ist noch nicht gekommen, im Moment ist die Malerei dran.

Welchen Rat würdest du anderen Fotograf:innen geben, die dieses Interview lesen?

Was für mich gute Fotografie ausmacht, ist zuallererst der Inhalt/das Thema der Fotografie – weniger die technische Umsetzung oder das Formale daran. Es ist verführerisch, sich mit dem Material anstatt mit dem Inhalt zu beschäftigen. Das führt allerdings nirgendwo hin. Die Frage „was fotografiere ich?“ (und warum) ist essenzieller als die Frage „wie fotografiere ich?“ (und womit).

Falls du deine Arbeiten auf Instagram veröffentlichst: Fluch oder Segen?

Für mich ist es wie immer eine Frage des Umgangs (mit einem Medium) und was man damit erzielen will. Und ist nicht immer ist alles Fluch und Segen zugleich? Instagram ist eine gute Möglichkeit, Fotos zu teilen, anderen zu zeigen. Ich fühle derzeit keine Notwendigkeit, sie woanders zu publizieren.

Welche drei Fotobücher kannst du empfehlen / sollte man unbedingt besitzen?

Ich besitze keine Fotobücher und schaue mir auch selten welche an. Und wenn doch, habe ich sie später vergessen, bzw. kann jetzt keine nennen.

Vielen Dank für deine Zeit!

Präferenzen

Kamera/s

Nikon F, Leica M

Film/e

Kodak Tri-X, Ilford HP-5

Farbe & s/w

S/W

Ausgewählte Arbeiten

© Michael Ornauer
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