Felicitas Schwenzer
© Erik Gross
Im Gespräch mit

Felicitas Schwenzer

Hamburg, Deutschland

Hi Felicitas, bitte stell dich kurz vor.

Ich komme zwar aus dem Süden Deutschlands, lebe aber seit einigen Jahren gemeinsam mit meinem Freund und unseren Katzen in meiner Herzensstadt Hamburg. Dort studiere ich momentan noch im Master Erziehungs- und Bildungswissenschaften mit Forschungsschwerpunkt und arbeite in einem Forschungsprojekt am UKE. In Hinblick auf Zeit und Ressourcen kommt die Fotografie damit leider häufig an letzter Stelle – mental und emotional sieht das aber ganz anders aus.

Mein Freund David fotografiert bereits seit vielen Jahren und ist bei sämtlichen Fotofragen nach wie vor mein personalisiertes YouTube Tutorial. Er hat mir 2019 die Grundzüge der Fotografie beigebracht, bis ich irgendwann verstanden habe, was denn jetzt nochmal eine Blende ist. Zu Beginn des Jahres 2020 habe ich mich dann ernsthafter mit der Fotografie beschäftigt, das auch von Anfang an ausschließlich analog. Leider war das genau der Zeitpunkt, als Corona über die Welt hereingebrochen ist, was meinen fotografischen Prozess natürlich etwas ausgebremst hat.

Welche Bedeutung hat für dich analoge Fotografie? Was reizt / fasziniert dich daran?

Die analoge Fotografie bedeutet für mich eine dringend notwendige Beschränkung. Die Begrenzung auf 10-12 Bilder pro Film zwingt mich dazu, meine Kompositionen genau zu bedenken, ein Set sorgfältig zu konzipieren, mir bereits im Vorfeld detaillierte Gedanken zu machen und mich auf das Fotografieren vorzubereiten und einzustellen. Eigentlich ist jedes Bild bereits im Vorfeld geplant und mehr oder weniger so umgesetzt, wie ich es vorgesehen habe (sofern das die Anatomie und Beweglichkeit meiner Modelle verkraftet). Ich fotografiere jede Komposition nur einmal und mein Ziel dabei ist es, dass unter zehn Aufnahmen auch zehn verwendbare Bilder sind. Diesen Schnitt würde ich digital niemals schaffen, da das Fotografieren meiner Erfahrung nach ungenauer wird, unbedachter, unsauber. Das kann ich mir analog nicht erlauben, wodurch jedes einzelne Bild für mich auch wertvoller wird.

Auch für meinen persönlichen fotografischen „Stolz“ bzw. Selbstkonzept ist es zuträglich zu wissen, dass ein Foto so entstanden ist, wie ich es intendiert habe und weil ich es entsprechend umgesetzt habe. Wenn ich 700 Bilder aus einer Session mitnehmen und darunter zehn gute finden würde, hätte ich persönlich nicht das Gefühl, dass diese Fotos aus meiner fotografischen Kenntnis, Erfahrung oder Bemühung heraus entstanden sind, sondern Zufallstreffer sind. Das würde sich nicht wie „mein“ Bild anfühlen, sondern beliebig und zufällig.

Jedes analoge Foto ist für mich mit einem hohen Maß an Sorgfalt, Aufmerksamkeit, Planung, Zeit, Aufwand und natürlich auch Kosten verbunden. Dadurch trägt jedes Bild ein besonderes Gewicht und eine Wertigkeit, die ich persönlich bei digitalen Fotografien einfach nicht so empfinde.

Was sind aus deiner Sicht die Vor- und Nachteile der analogen Fotografie?

Die Vorteile und meine Begeisterung für die analoge Fotografie sind vermutlich schon zur Genüge aus der vorherigen Frage hervorgegangen. Den einzigen Nachteil sehe ich für mich persönlich in den mittlerweile lächerlich hohen Filmpreisen, die eigentlich überhaupt nicht mehr zu stemmen sind. Ich fotografiere zwar nie mehr als zwei oder drei Rollen während eines Treffens, bei Farbfilm entspricht das aber inzwischen schon an die 80 Euro. Das ist als regelmäßig eigentlich kaum zu leisten.

Alles andere („Man kann die Fotos währenddessen nicht sehen“, „Man hat nur eine begrenzte Bildanzahl“, „Es kann etwas schiefgehen“) würde ich persönlich nicht als Nachteil bezeichnen. Von vielem profitiere ich sogar bzw. macht es meine Arbeitsweise aus. Und klar, ich kann aus Versehen das Rückteil öffnen oder den Film offen fallen lassen – aber auch SD-Karten können kaputtgehen. Und aus analogen Fehlern entsteht meistens noch etwas unvorhergesehen Schönes.

Konzentrierst du dich bei deinen Arbeiten auf einen bestimmten Schwerpunkt?

In jedem meiner Bilder sind Menschen abgebildet, ein anderes Genre oder Subjekt interessiert mich persönlich auch gar nicht. Portraits sind zwar Teil meiner Arbeit, der klare Schwerpunkt liegt aber auf Körpern, Akt, Body Parts, Haut und skulpturalen Kompositionen.

Gibt es (analoge) Fotograf:innen, die deine Ästhetik und Herangehensweise beeinflusst haben?

Da er mich dem Medium der analogen Fotografie überhaupt erst näher gebracht, mir die Grundzüge beigebracht hat und bei den ersten Schritte zur Seite stand, natürlich zuallererst David Szubotics. Darüber hinaus erfahre ich Inspiration durch so viele wundervolle Fotograf:innen, dass die Aufzählung wahrscheinlich jeden Rahmen sprechen würde. Um aber dennoch einige zu nennen: Chantal Convertini, Catia Simões, Shannon Tomasik, Hannes Caspar, Tia Danko, Erik Gross, Marit Beer, Anne (Kantorka), Ellard Vasen, Manon Deck-Sablon, Viktoria Andreeva, Mar Nadler, Nanne Springer, Lucas Cerri, 23h46min, Arnoldas Kubilius, Nanda Hagenaars, Juul Kraijer und Brooke DiDonato – versprochen, sie sind alle mindestens einen Blick wert!

Gibt es bestimmte Kameras oder Filme mit denen du bevorzugt arbeitest?

Am liebsten fotografiere ich mit meiner Mamiya RZ67 und der 110mm/2.8er Linse. Dazu meistens eine Rolle Ilford HP5, wenn es die Filmpreise und Verfügbarkeiten zulassen auch sehr gerne einen CineStill 800t. Für manche Kompositionen empfinde ich ein quadratisches Format als passender, dann greife ich zu meiner Rollei oder Hasselblad.

Apropos Filme: Wie sieht dein Workflow aus?

Wenn ich vom Fotografieren nach Hause komme, bleibt gerade noch Zeit, die Schuhe auszuziehen. Dann verschwinde ich mit den Rollen in der Abstellkammer, entwickle die schwarz-weiß Filme, hänge sie in den Trockenschrank und sitze wie ein Kind vor dem Kuchen im Backofen, bis die Negative trocken und fertig zum Scannen sind. Beim Scannen und der Bildbearbeitung lasse ich nebenher meistens cineastische Meisterwerke wie Deep Blue Sea, Stark Night oder 47 Meters Down (Hauptsache, irgendwas mit Haien oder Tiefsee) laufen und sitze oft bis nachts an den Bildern. Farbfilme gebe ich zur Entwicklung ins Fotolabor Jan Kopp in Hamburg, die meine Negative zuverlässig innerhalb einer Stunde fertig haben und so meine Ungeduld auch ganz wunderbar bedienen.

In der Nachbearbeitung benutze ich Lightroom für Farb-, Licht- und Kontrastanpassungen, Photoshop zur Bildretusche. Da ich einen sehr cleanen Bildlook bevorzuge, räume ich viel im Hintergrund auf, entferne Steckdosen, Fußleisten, Fensterbänke. An meinen Modellen arbeite ich weniger radikal, hier entferne ich abstehende Haare, kleine Hautunreinheiten und lasere (mit Zustimmung) auch das ein oder andere Tattoo. Hinter weiteren Änderungen an den Körpern (etwas größer/kleiner/dünner/breiter/länger/kürzer machen) könnte ich nicht stehen und nehme sie deshalb auch nicht vor.

Welchen Rat würdest du anderen Fotograf:innen geben, die dieses Interview lesen?

Habt keine Angst, zu fotografieren. Nichts Schlimmes passiert, wenn ein, zehn oder auch hundert Bilder daneben gehen. Nur so könnt ihr lernen, entwickelt eine Routine und Gelassenheit und findet heraus, was euch in euren Bildern gefällt und was sie ausmacht.

Auch, wenn ihr euch hinter der Kamera wohler fühlt, finde ich es wichtig, sich ab und zu auch zum Modeln zu überwinden. Ich glaube, dass man von dem Perspektivwechsel auch als Fotograf:in profitiert, da man so ein Gespür für die Bedürfnisse der Modelle entwickelt und besser nachvollziehen kann, wie das Umfeld und der Umgang angenehm gestaltet und Anweisungen und Kompositionen verständlich kommuniziert werden können.

Setzt euch mit anderen Fotograf:innen auseinander, steht in Kontakt und Austausch miteinander und vor allem: fotografiert gemeinsam. Es kann wahnsinnig bereichernd sein, andere Fotograf:innen bei der Arbeit zu beobachten und ihre Herangehensweise kennenzulernen. Natürlich könnt ihr euch so zum einen wechselseitig über Techniken und Prozesse austauschen und für eure Fotografie mitnehmen, oft fühlt ihr euch aber sicherlich auch in der eigenen Arbeitsweise bestätigt und merkt, dass nicht alles, was bei anderen funktioniert, auch zu eurer eigenen Fotografie passt. Außerdem macht es einfach wahnsinnig viel Spaß.

Falls du deine Arbeiten auf Instagram veröffentlichst: Fluch oder Segen?

Ganz eindeutig: beides. Es kann ernsthaft niederschmetternd sein, wenn Bilder von Instagram gelöscht werden, ob sofort oder nach Wochen. Insbesondere die Begründungen sind haarsträubend und zusätzlich verletzend, weil der eigenen Arbeit unterstellt wird, sexuell konnotiert, zu erotisch oder unangemessen zu sein – Merkmale, die ich in meinen Fotografien weder erkenne noch transportieren möchte. Ähnlich frustrierend ist es, wenn die Reichweite sichtlich eingeschränkt ist, der undurchsichtige Umgang Instagrams mit dem Shadowban oder anderen Finten des Algorithmus.

Ich hadere auch oft, wenn Bilder nicht die Resonanz erfahren, die ich erwartet oder mir erwünscht hätte – besonders, da es sich in diesen Fällen fast ausschließlich um Fotos handelt, die beispielsweise männlich gelesene oder nicht als normschön bewertete Körper zeigen. Dann ärgere ich mich, weil unsere erlernte Wahrnehmung von „Schönheit“ offenbar eine größere Rolle spielt als der Bildinhalt, die Umsetzung oder Komposition und die Bewertung eines Fotos als gut oder ansprechend nach wie vor auf Faktoren wie Gender oder Körperform limitiert zu sein scheint.

Andererseits ist Instagram allem Frust zum Trotz eine Quelle der Inspiration, des Austauschs und der Verbindung. Natürlich bietet sich hier eine Plattform, auf der extrem niedrigschwellig und mit großer Reichweite Arbeiten geteilt werden können. Ich erhalte viele Rückmeldungen, warme Worte und stehe im Austausch mit so vielen inspirierenden und kreativen Personen, dem ich als sehr bereichernd erlebe. Nahezu alle fotografischen Kontakte sind durch Instagram entstanden und gewachsen und ich konnte nicht nur begabte Künstler:innen entdecken, sondern auch echte Freundschaften entwickeln, die den Sprung ins echte Leben geschafft haben. Menschen, die jetzt in Jogginghose auf meiner Couch sitzen, mit denen ich in den Urlaub fahre, auf Konzerte gehe, natürlich auch gemeinsam fotografiere und denen ich sonst nie begegnet wäre.

Welche drei Fotobücher kannst du empfehlen / sollte man unbedingt besitzen?

„Permeable Membran“ (Chantal Convertini), „Masculinities“ (Alona Pardo) und natürlich „of Corse“, der Katalog zu unserer Ausstellung in der KBHGeiger in Basel.

Vielen Dank für deine Zeit!

Präferenzen

Kamera/s

Mamiya RZ67, Rollei SL66, Hasselblad 500cm

Film/e

Ilford HP5, Cinestill 800t, Kodak Portra 400

Farbe & s/w

Farbe & S/W

Ausgewählte Arbeiten

© Felicitas Schwenzer
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