Im Gespräch mit
Holger Nitschke
Oldenburg, Deutschland
Hi Holger, bitte stell dich kurz vor.
Hallo! Mein Name ist Holger Nitschke und ich lebe in der Nähe von Oldenburg/Niedersachsen, eher ländlich und unweit der Nordseeküste, wo ich auch aufgewachsen bin. Ich bin seit nunmehr fast 20 Jahren nebenberuflich, freiberuflicher Fotograf. Die Fotografie habe ich nicht gelernt, sondern mir alles ausschließlich autodidaktisch beigebracht. (Leider) erst vor etwa vier Jahren brachte mich ein befreundeter Fotograf zur analogen Fotografie, indem er mir das Film-Entwickeln zeigte.
Welche Bedeutung hat für dich analoge Fotografie? Was reizt / fasziniert dich daran?
Mich faszinierte von Anfang das „Reduzieren“ – damit meine ich in erster Linie die Technik – ich bekomme (inzwischen) genau meinen Bildstil mit (für heutige Verhältnisse) „einfachster“, nicht computergesteuerter und optimierter Technik hin. Inzwischen sind mir die analogen Fotos persönlich mehr wert, als die digitalen Pendants, denn sie sind mehr oder weniger unverfälscht und lebendig.
Was sind aus deiner Sicht die Vor- und Nachteile der analogen Fotografie?
Vorteile: Wie ich schon in der letzten Frage anführte, liebe ich das „lebendige“ und „echte“ bei den analogen Fotos. Echtes Korn, Rauschen, Unschärfe – alles Stilmittel, die ich auch früher und aktuell bei meinen digitalen Aufnahmen einsetze – nur hier sind sie echt! Zudem sind die Kameras (wenn man von ein paar aktuellen digitalen Modellen wie z. B. von Fuji mal absieht) einfach wunderschön und es macht Spaß, damit zu arbeiten. Das Reduzieren von Aufnahmen verursacht durch die Verbrauchskosten vermittelt einem ein gezielteres Auslösen bzw. eine überlegtere Bildgestaltung. Ich liebe den digitalen Detox der Dunkelkammer: gerade zu Stoßzeiten der Pandemie und jetzt aktuell des Ukraine-Krieges zieht es mich immer öfter in das Rotlichtexil, um mich selbst dazu zu zwingen, mich nicht viel zu viel medial mit den weltlichen Zuständen herunterziehen zu lassen.
Nachteile: Leider sind gerade in den letzten Monaten viele Filme über alle Maßen im Preis gestiegen, auch der Gebrauchtmarkt an Kameras wird immer heftiger in Form von utopischen Preisen und leider auch vielen Betrügern durchseucht.
Ein kleiner Malus noch: Staub! Auf Negativen und beim Abziehen ist einfach nur mega-nervig!
Konzentrierst du dich bei deinen Arbeiten auf einen bestimmten Schwerpunkt?
Mein Schwerpunkt sind Menschen – meine Arbeitsbereiche sind Portraits, Mode, Agentur-Shootings, Künstler/Schauspieler und Musikerportraits. Ich liebe es, kreative Menschen, die andere Kunstformen betreiben, kennenzulernen und zu Portraitieren.
Gibt es (analoge) Fotograf:innen, die deine Ästhetik und Herangehensweise beeinflusst haben?
Da fallen mir in erster Linie natürlich die alten Künstler wie Helmut Newton, Peter Lindbergh, Paolo Roversi und Jean Loup Sieff ein.
Gibt es bestimmte Kameras oder Filme mit denen du bevorzugt arbeitest?
Inzwischen wird meine Sammlung leicht unübersichtlich, da ich von einem mehr oder minder schrecklichem GAS-Syndrom befallen bin. Am liebsten arbeite ich im Mittelformat mit der Rolleiflex 2.8f oder der Hasselblad 500c/m. Beim Kleinbild ist es meistens eine (im wahrsten Sinne des Wortes) abgegrabbelte Yashica FX-D oder die Canon A1.
Neue Filme sind meistens von Fomapan (100, 200 und 400), aber auch Ilford HP5. Der Kodak TRI-X ist mir inzwischen leider zu teuer. Gerne und viel nutze ich aber auch alte, abgelaufene Filme wie z. B. den original AGFA APX100. Bei Farbe greife ich ebenfalls fast ausschließlich auf alte, abgelaufene Filme zurück – wobei die Portras natürlich erste Wahl sind.
Apropos Filme: Wie sieht dein Workflow aus?
Nach einem Fotoshooting kommt natürlich zuerst die Filmentwicklung (S/W und auch Farbe), dann werden die Filme i. d. R. im Rohverfahren gescannt (Epson P800) und anschließend in Lightroom Kontrast-technisch optimiert und teilweise von besagtem Staub befreit. Oftmals schiebe ich inzwischen die Digitalisierung aber auch nach hinten und mache gleich Kontaktabzüge und erste Test-Prints in meiner Dunkelkammer. Letztendlich ist mein kompletter Workflow self-made, ich würde niemals einen Film in ein Labor schicken.
Welchen Rat würdest du anderen Fotograf:innen geben, die dieses Interview lesen?
Falls Ihr noch nicht analog fotografiert habt: Kauft Euch für wenige Taler eine alte 35mm-Kamera und ein paar Filme und probiert es einfach mal aus. Megatoll ist es auch, im Urlaub mal nur eine analoge Kamera mit zwei oder drei Filmen mitzunehmen und anschließend wirklich tolle Schnappschüsse/Erinnerungen in den Händen zu halten und auch zu zeigen, wie in den 90ern. Die 5000 Handyfotos will eh keiner sehen.
Falls du deine Arbeiten auf Instagram veröffentlichst: Fluch oder Segen?
Fluch und Segen zugleich! Die Zeit und nervliche Belastung kann einem schon auch negativ beeinflussen, aber durch IG habe ich auch sehr viele Kontakte und Optionen (gerade im Ausland) erhalten – leider gibt es noch keine wirkliche Alternative.
Welche drei Fotobücher kannst du empfehlen / sollte man unbedingt besitzen?
Wenn es Bildbände in Richtung Portrait & Mode geht: Helmut Newton (Sumo) oder irgendein anderes, Mert Alas & Marcus Piggott und Paolo Roversi (Dior Images).